Lieber Besucher, diese Webseite richtet sich ausschließlich an medizinische Fachkreise.

Ich gehöre einer medizinischen Berufsgruppe an

Nein

Menü

Immunabwehr in der Mundschleimhaut: Welche Rolle spielt Vitamin D?

10.2016
Autor Dr. J. Hower, Pädiater

Cathelicidine sind Peptide, die eine anti-mikrobielle Aktivität besitzen und Haut- und Schleimhäute vor eindringenden Erregern schützen. Das einzige beim Menschen dokumentierte Cathelicidin ist LL-37, ein Peptid, das sowohl gegen Gram-positive und Gram-negative Bakterien als auch gegen einige Viren wirksam ist. LL-37 besitzt darüber hinaus chemotaktische Eigenschaften und trägt zur Reifung dendritischer Zellen bei. Diese erkennen fremdartige, intrazellulär aufgenommene Strukturen (z. B. Mikroorganismen) und leiten die Immunantwort ein. In mehreren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die LL-37-Expression durch aktiviertes Vitamin D3 (1,25(OH)2D3) induziert werden kann. McMahon<ins> </ins>et al. haben in einer aktuellen Studie den Einfluss des aktivierten Vitamin D auf die angeborene Immunantwort von kultivierten Mundschleimhaut-Epithelzellen und die Expression von LL-37 untersucht.

Methode: Zur Messung der Vitamin-D-Aktivität auf die angeborenen Abwehrfunktionen der Mundschleimhaut (Gingiva-Epithels<ins> </ins>= GE) wurden kultivierte GE-Zellen entweder mit aktiviertem Vitamin D (1,25(OH)2D3) oder Äthanol bis zu 24 Stunden inkubiert. 

Ergebnis und Schlussfolgerungen: Bei den Untersuchungen konnte eine Induktion der Vitamin-D-Rezeptoren und von LL-37 nachgewiesen werden. Die Autoren schließen aus ihren Untersuchungen, dass sie erstmalig den Einfluss von aktiviertem Vitamin D auf die Immunabwehr bei Gingiva-Epithelzellen nachweisen konnten.

Referenz: McMahon, L et al. Vitamin D-mediated induction of innate immunity in gingival epithelial cells. Infect Immun 2011 Jun; 79(6): 2250-6

Kommentar: Das Immunsystem der Mukosa besitzt drei Funktionen:

  • Schutz des Organismus vor Infektionen
  • Verhinderung der Aufnahme von Antigenen und Mikroorganismen
  • Modulation des Immunsystems als Antwort auf eine antigene Stimulation 

Eine zunehmende Evidenz weist auf die immunregulatorischen Funktionen des aktivierten Vitamin D hin. McMahon et al. konnten zeigen, dass die inaktive Form des Vitamin D (25(OH)2D3) in Mundschleimhaut-Epithelzellen zu 1,25(OH)2D3 aktiviert werden kann und über eine nachfolgende Aktivierung der Genexpression zu einem Anstieg antimikrobiell wirkender Peptide führt. Mit aktiviertem Vitamin D3 stimulierte Zahnfleisch-Zellkulturen weisen eine erhöhte antibakterielle Aktivität auf.

Fazit: Aktiviertes Vitamin D scheint die Mundhöhle vor bakteriellen Infektionen zu schützen.

In den seltenen Fällen, in denen LL-37 fehlt (Morbus Kostmann) oder nicht ausreichend aus seiner Vorstufe gebildet werden kann (Papillon-Lefèvre-Syndrom), leiden die Betroffenen unter schweren Periodontitiden und Zahnverlust. Die Ergebnisse des amerikanischen Third National Health and Nutrition Examination Survey weisen auf einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Periodontitis in der Bevölkerung hin. In einer Fall-Kontrollstudie von Boggess et al. wird dies für Schwangere bestätigt. Die Supplementierung von Vitamin D schützt die Mundhöhle vor Infektionen, wie in weiteren Untersuchungen bestätigt werden konnte. Nicht nur Fehler bei der Aktivierung von LL-37 und Vitamin-D-Mangel, sondern auch Vitamin-D-Rezeptor-Polymorphismen scheinen für die Entstehung der Periodontitis eine Bedeutung zu besitzen, wie eine aktuelle Meta-Analyse zeigt.

Die Ergebnisse von McMahon und weiterer Autoren dokumentieren außerdem, dass die Interaktion von Vitamin D mit dem Immunsystem und den angeborenen Immunantworten nicht auf Mundschleimhaut-Zellen beschränkt sind. Kinder und Erwachsene mit einem Vitamin-D-Mangel haben nicht nur eine gestörte Mineralisation der Knochen und der Zähne, sondern auch, wie die Daten von McMahon nahelegen, eine geschwächte Abwehrfunktion der Gingiva.

Der Health Claim für den Einfluss von Vitamin D auf die immunologischen Funktionen im Kindes- und Jugendalter wurde aktuell erstmals von der EFSA (European Food Safety Authority) mit nachfolgendem Wortlaut bestätigt: „Vitamin D trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei. Zielpopulation sind Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 8 Jahren“. (Übersetzung durch Rezensent)

Referenzen:
McMahon, L et al. Vitamin D-mediated induction of innate immunity in gingival epithelial cells. Infect Immun 2011 Jun; 79 (6): 2250-6
Zanetti, M. Cathelicidins, multifunctional peptides of the innate immunity. J Leukoc Biol, 2004. 75 (1): p. 39-48.
Midorikawa, K, et al., Staphylococcus aureus susceptibility to innate antimicrobial peptides, beta-defensins and CAP18, expressed by human keratinocytes. Infect Immun, 2003. 71 (7): p. 3730-9.
Nell, MJ et al., Bacterial products increase expression of the human cathelicidin hCAP-18/LL-37 in cultured human sinus epithelial cells. FEMS Immunol Med Microbiol, 2004. 42 (2): p. 225-31.
Carlsson, G et al. Periodontal disease in patients from the original Kostmann family with severe congenital neutropenia. J Periodontol, 2006. 77 (4): 744-51.
Dietrich, T et al. Association between serum concentration of 25-hydroxyvitamin D3 and peridontal disease in the US population. Am J Clin Nutr 2004; 80 (1): 108-113
Boggess, K.A., et al., Vitamin D status and periodontal disease among pregnant women. J Periodontol 2011 Feb; 82(2):195-20
Peravil, J et al. Influence of Vitamin D & Calcium Supplementation in the Management of Periodontitis. J Clin Diagn Res 2015 Jun; 9 (6): ZC35-8