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Glutenaufnahme & Zöliakie-Inzidenz: Besteht bei Kindern mit einem genetisch erhöhten Risiko eine Verbindung?

10.2019
Autor Dr. Jürgen Hower, Pädiater

Bisherige epidemiologische Studien lassen vermuten, dass eine hohe Glutenzufuhr im Kindesalter das Risiko für eine Zöliakie erhöht. Mit der aktuellen Studie haben die Autoren untersucht, inwieweit die Menge der Glutenzufuhr mit der Entstehung einer Zöliakie bei genetisch gefährdeten Kindern verbunden ist. Dafür wurde die Glutenaufnahme über 3-tägigen Nahrungsmitteldaten im Alter von 6, 9 und 12 Monaten erfasst und danach halbjährlich bis zum Alter von 5 Jahren ermittelt und die Gesamtaufnahme geschätzt.

Ergebnisse: Von 6.605 Kindern mit HLA-Antigen-Genotyp (Humanes-Leukozyten-Antigen, spezifische Antikörper) entwickelten 18 % Zöliakie-Immunantikörper (Serumkonversion für tTG-Autoantikörper) und 7 % eine klinische Zöliakie bei einer medianen Nachbeobachtung von 9 Jahren (mediane Serumkonversion mit 3 Jahren; Spanne 0,9–11,2 Jahre). Die Inzidenz für Autoimmunität und Zöliakie erreichte ihren Höhepunkt im Alter von 2 bis 3 Jahren.
Das Autoimmunitätsrisiko nahm für jedes Gramm Gluten pro Tag um 1,30 (95 % KI, 1,22–1,38), das Zöliakie-Risiko um 1,50 (95 % KI, 1,35–1,66) zu.

Fazit: Bei genetisch veranlagten Kindern ist eine höhere Glutenaufnahme in den ersten 5 Lebensjahren mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Zöliakie-Antikörpern und einer klinisch nachweisbaren Zöliakie verbunden.

Aronsson A et al. TEDDY Study Group. Association of Gluten Intake During the First 5 years of Life With Incidence of Celiac Disease Autoimmunity and Celiac Disease Among Children at Increased Risk. JAMA 2019 Aug 13; 322(6): 514–523

Kommentar:
Aronsson et al. belegen bei genetisch veranlagten Kindern, dass eine höhere Glutenaufnahme mit einem erhöhten Risiko einer Zöliakie verbunden ist. In einem begleitenden Editorial weisen Leonard und Fasano darauf hin, dass die Menge an konsumiertem Gluten und der HLA-Status nicht die vollständige endgültige Erklärung für das erhöhte Zöliakie-Risiko sein dürften. Lionetti und Catassi konnten zum Beispiel mit ihrer Literaturstudie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der HLA-Genetik, der Menge der Glutenaufnahme und der Zöliakie-Prävalenz nachweisen. Interessanterweise ist die Zöliakie-Prävalenz in Finnland auch größer als in Italien und Griechenland, obwohl in beiden zuletzt genannten Ländern der Glutenkonsum höher ist.
Es bleibt somit unklar, ob und wenn welche weiteren Faktoren neben der Glutenaufnahme und der gesicherten genetischen Bereitschaft die Entstehung einer Zöliakie zusätzlich beeinflussen können.

Referenz:
Aronsson A et al. TEDDY Study Group. Association of Gluten Intake During the First 5 years of Life with Incidence of Celiac Disease Autoimmunity and Celiac Disease Among Children at Increased Risk. JAMA 2019 Aug 13; 322(6): 514–523
Ivarsson A et al. Breast-feeding protects against celiac disease. Am J Clin Nutr 2002; 75(5): 914–921
Ivarsson A. The Swedish epidemic of coeliac disease explored using an epidemiological approach – some lessons to be learnt. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2005; 19(3): 425–440
Vriezinga SL et al. Randomized feeding intervention in infants at high risk for celiac disease. N Engl J Med 2014; 371(14): 1304-1315
Leonard MM, Fasano A. Gluten and Celiac Disease Risk. Is It Just a Matter of Quantity? JAMA 2019 Aug 13; 322(6): 510–511
Lionetti E et al.; SIGENP (Italian Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition) Working Group on Weaning and CD Risk. Introduction of Gluten, HLA status, and the risk of celiac disease in children. N Engl J Med 2014; 371(14): 1295–1503
Lionetti E, Catassi C. Co-localization of gluten consumption and HLA-DQ2-DQ8 genotypes, a clue to the history of celiac disease. Dig Liver Dis 2014; 46(12): 1057–1063