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Säuglinge schlafen nach früher Einführung fester Nahrung länger und tiefer

01.2019
Autor Prof. E. Harms, Universitäts-Kinderklinik Münster

Die WHO empfiehlt, dass Säuglinge in den ersten 6 Lebensmonaten ausschließlich gestillt werden. 75 % der britischen Mütter beginnen jedoch schon in den ersten 5 Monaten mit fester Nahrung (Beikost). 26 % begründen diese Entscheidung damit, dass ihre Kinder dann besser durchschlafen.

In einer randomisierten klinischen Studie haben jetzt britische Forscher das Schlafverhalten von Säuglingen mit und ohne frühe Einführung von Beikost verglichen [1]. Dabei wurden 1303 drei Monate alte Säuglinge in zwei Gruppen randomisiert in die Studie aufgenommen und bis zum Alter von drei Jahren nachuntersucht.
Der Standardgruppe (WHO-Empfehlung) wurde empfohlen, möglichst 6 Monate lang voll
zu stillen, der Gruppe mit früher Beikost wurde empfohlen, weiter zu stillen, daneben aber frühzeitig zusätzlich Beikost zu füttern (anfänglich allergen-arm, dann aber auch allergen-haltig).
Im Alter von etwa 6 Monaten hatten beide Gruppen eine vergleichbare Beikost-Ernährung erreicht. Die frühe Beikost-Fütterung führte zu signifikanter Verlängerung der Schlafdauer und signifikant seltenerem nächtlichen Erwachen. Dieser Effekt war bis zum Ende des ersten Lebensjahrs nachweisbar. Ausgeprägte Schlafprobleme im zweiten Lebenshalbjahr fanden sich deutlich häufiger in der Standardgruppe.
Die bei der Rekrutierung schwersten Kinder schliefen am längsten, dagegen wachten die Kinder mit der stärksten Gewichtszunahme zwischen Geburt und Rekrutierung am häufigsten nachts auf.

Kommentar: Schlafstörungen bei Säuglingen sind ein Allerweltsproblem. Gute Ratschläge gibt es viele, aber keine so fundierte, wie sie diese Studie erarbeitet hat. Wenn Säuglinge im ersten Lebenshalbjahr erhebliche Schlaf- und Durchschlafprobleme haben, muss es erlaubt sein, von der WHO-Empfehlung abzuweichen und früher Beikost einzuführen. Dies umso mehr, als nach dieser Studie der positive Effekt auch im zweiten Lebenshalbjahr anhält. Negative Auswirkungen früher Beikostfütterung berichtet die Studie nicht.

Aus ernährungsphysiologischen Gründen gilt selbstverständlich primär die ESPGHAN-Empfehlung, mit Beikost möglichst erst nach dem vollendeten 4. Lebensmonat anzufangen. Das kontroverse Thema der frühen Allergieentwicklung war kein Gegenstand dieser Studie.

Referenzen:
[1] Perkin MR, Bahnson HT, Logan K et al. (2018) Association of Early Introduction of Solids With Infant Sleep. A Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr. 2018;172(8):e180739. doi:10.1001/jamapediatrics.2018.0739.