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Schmerz & Zucker: Der Einfluss von Zucker auf die Schmerzlinderung bei Impfungen von Kleinkindern

10.2016
Autor Dr. J. Hower, Pädiater

Saccharose (Zucker) wird häufig bei Neugeborenen und Säuglingen als nicht-pharmakologische, risikolose Intervention zur Schmerzlinderung verwendet. Sie hat sich bei Neugeborenen und Säuglingen als wirksam erwiesen.

Studien an älteren Kindern liegen kaum vor. Jetzt haben zwei norwegische Untersucher in drei Gesundheitszentren einer norwegischen Stadt die Wirksamkeit einer Saccharose-Lösung zur Schmerzlinderung bei 15 Monate alten Kleinkindern untersucht.

Methode: Die 15 Monate alten Kinder (114) wurden randomisiert auf zwei Interventionsarme verteilt. Eine Gruppe erhielt 30 %ige Zuckerlösung, die andere Gruppe ein Placebo (Wasser). Alle Kinder hatten einen Termin zur Masern-Mumps-Röteln-Impfung. Ergebnisziel war die Ermittlung der postvakzinalen Schreidauer.

Ergebnisse: Die mittlere Schreidauer in der Interventionsgruppe betrug 18 Sekunden, in der Kontrollgruppe 33 Sekunden. Der Unterschied war nicht nur statistisch signifikant, sondern auch klinisch relevant.

Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass der beruhigende und schmerzmindernde Effekt einer 30 %igen Zuckerlösung auch bei der Immunisierung von 15 Monate alten Kleinkindern wirksam ist.

Referenz:
Despriee, AW, Langeland, E. The effect of sucrose as pain relief/comfort during immunisation of 15-month-old children in health care centres: a randomised controlled trial. J Clin Nurs 2016 Feb, 25(3-4): 372-80

Kommentar: Die aktuellen Studienautoren konnten nachweisen, dass Saccharose auch noch im Alter von 15 Monaten bei der Masern-Mumps-Röteln-Impfung zur Schmerzlinderung beiträgt. Das Ergebnis einer aktuellen Cochrane-Meta-Analyse bestätigt, dass oral applizierter Zucker sicher und wirksam zur Schmerzlinderung beiträgt. Pucken und nicht-nutritives Saugen (Schnuller) scheinen diesen Effekt bei Neugeborenen noch zu verstärken.

Der Konsum schmackhafter und/oder süßer Nahrung wird mit der Bindung schmerzsenkender endogener Opiate (Endorphine) an µ-Rezeptoren (Opiat-Rezeptoren) assoziiert. Als endogene Opiate werden Opiate bezeichnet, die vom Körper selbst produziert werden.

Studien an Ratten haben gezeigt, dass die Aufnahme einer oralen Zuckerlösung im Vergleich zu Wasser zu einer signifikant höheren Schmerztoleranz führt. Eine erhöhte Schmerztoleranz nach dem Konsum von süßer und schmackhafter Nahrung konnte auch beim Menschen nachgewiesen werden. Bei Säuglingen wurde nach der Aufnahme von Zuckerlösung, aber auch nach Süßstoffen, bei der Fersenblutentnahme eine kürzere Schreizeit nachgewiesen.

Dies scheint nicht zu gelten, wenn Zucker über eine Nasensonde appliziert wird. Dabei wird vermutet, dass der süße Geschmack der Zucker- oder Süßstofflösung, nicht die Substanzen selber, die Analgesie bewirken.

Referenzen:
Despriee, AW, Langeland, E. The effect of sucrose as pain relief/comfort during immunisation of 15-month-old children in health care centres: a randomised controlled trial. J Clin Nurs 2016 Feb, 25(3-4): 372-80
Mysels, DJ et al. The relationship between opioid and sugar intake: Review of evidence and clinical applications. J Opioid Manag 2010, 6(6): 445-452
Stevens, B et al. Sucrose for analgesia in newborn infants undergoing painful procedures. Cochrane Database Syst Rev 2013 Jan 31, 1: CD001069
Leng, HY et al. Combined non-pharmacological interventions for newborn pain relief in two degrees of pain procedures: A randomized clinical trial. Eur J Pain 2015 Dec 18 (epub ahead of print)