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Wirkt sich ein Jodmangel in der Schwangerschaft auf die kindliche Sprachentwicklung aus?

11.2018
Autor
Dr. J. Hower, Pädiater

Ein unzureichender Jodstatus beeinträchtigt die Synthese der Schilddrüsenhormone T3 und T4, die bereits im fötalen Leben Einfluss auf die Gehirnentwicklung nehmen. Jodmangel gehört weltweit zu den häufigsten Ernährungsstörungen und zu den häufigsten vermeidbaren Ursachen für eine geistige Behinderung.

Ziel dieser Studie war es, den Zusammenhang zwischen dem mütterlichen Jodstatus in der Schwangerschaft und der kindlichen neurologischen Entwicklung zu untersuchen.
Gemessen wurde bei den schwangeren Frauen die Harnjodkonzentration, um diese bei ihren Kindern im Alter von 6, 12 und 18 Monaten mit deren Entwicklungsergebnissen ins Verhältnis zu setzen.
 
Studiendesign: Insgesamt nahmen 1036 Familien aus neun Standorten in Norwegen an dieser Studie teil. Sie umfasste Mutter-Kind-Paare (n = 851) mit Einzelschwangerschaften, keine Verwendung von Schilddrüsenmedikamenten in der Schwangerschaft, keine schwere genetische Störung, Daten über die Jod-Exposition und Entwicklungsergebnisse (Bayley Scales of Infant and Toddler). Dabei wurden Zusammenhänge zwischen der Harnjodkonzentration (und der Verwendung von jodhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln) und wiederholten Messungen des Entwicklungsfortschrittes untersucht.

Ergebnisse: Der gemessene Median der Harnjodkonzentration in der Schwangerschaft betrug 78 µg/l, was laut WHO als unzureichende Jodaufnahme definiert wird. Jodhaltige Multisupplemente nahmen 18 % der Schwangeren ein. Eine Harnjodkonzentration unter 100 µg/l war mit einer reduzierten rezeptiven (p = 0,025) und expressiven Sprachentwicklung (p = 0,002) verbunden. Kein Effekt wurde bei kognitiven oder fein- und grobmotorischen Fähigkeiten aufgezeigt. Obwohl der Harnjodwert unter Jodsupplementen anstieg, zeigte sich kein Einfluss auf die kindliche Entwicklung. 

Fazit: Insgesamt führte eine unzureichende Jodzufuhr in der Schwangerschaft mit Harnjodwerten unter 100 µg/l zu einer verminderten rezeptiven (Sprachverständnis) und expressiven (Fähigkeit zu sprechen) Sprachentwicklung der Säuglinge bis zum Alter von 18 Monaten.

Referenz:
Markhus, MW et al. Maternal Iodine Status is Associated with Offspring Language Skills in Infancy and Toddlerhood. Nutrients 2018 Sep 9; 10(9)

Kommentar: Mit der Nahrung wird Jod vor allem über Fisch und Milchprodukte zugeführt. Jodmangel führt im Extremfall zur Struma, zur Hypothyreose, zum Kretinismus und zu einer gestörten geistigen Entwicklung. Der mütterliche Jodmangel beeinflusst je nach Schweregrad in der Schwangerschaft die kognitive Entwicklung des ungeborenen Kinds. Bereits leichter bis mäßiger Jodmangel verzögert die rezeptive und expressive Sprachentwicklung. Dies hat nicht nur die aktuelle von Markhus et al. durchgeführte, sondern auch die von Abel et al. durchgeführte norwegische Kohorten-Studie von Mutter-Kind-Paaren bei der Überprüfung des kindlichen Sprachstandes im Alter von 3 Jahren ergeben.

Schwangere und stillende Mütter haben wegen ihres hohen metabolischen Bedarfs ein besonders hohes Jodmangel-Risiko. Es mag insofern erstaunen, dass die Jod-Supplementierung in der Schwangerschaft weder in der Studie von Markhus, noch in der Studie von Abel einen nachweisbaren Effekt auf die Sprachentwicklung hatte.
Möglicherweise ist es in der Schwangerschaft schon zu spät, um die negativen Auswirkungen eines länger bestehenden Jodmangels auszugleichen. Die unzureichende Jodaufnahme bleibt ein allgemeines Problem nicht nur für Schwangere und stillende Mütter mit einem erhöhten metabolischen Bedarf, sondern auch für die Allgemeinbevölkerung, insbesondere wenn Fisch und Milchprodukte gemieden werden.

Referenzen:
Markhus, MW et al. Maternal Iodine Status is Associated with Offspring Language Skills in Infancy and Toddlerhood. Nutrients 2018 Sep 9; 10(9)
Abel, MH et al. Suboptimal Maternal Iodine Intake is Associated with Impaired Child Neurodevelopment at 3 Years of Age in the Norwegian Mother and Child Cohort Study. J Nutr 2017 Jul; 147(7): 1314-1324
Niwattisaiwong, S et al. Iodine deficiency: Clinical implications. Cleve Clin J Med 2017 Mar; 84(3): 236-244
Harding, KB et al. Iodine supplementation for women during the preconception, pregnancy and postpartum period. Cochrane Database Syst Rev 2017 Mar 5; 3 CD011761