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Einschlafbegleitung

Eine Studie aus Japan verspricht ruhigen Babyschlaf in 13 Minuten

12.2022
Autorin Lara Mönter, B.Sc. Hebammenwissenschaften, Hebamme aus Fiersbach  

Das Wochenbett – eine Zeit der Emotionen, des Kennenlernens und manchmal des Schlafmangels. Eltern haben häufig viele Fragen zum Thema Babyschlaf und suchen Unterstützung bei der Hebamme. Eine Studie von Ohmura et al. (2022) aus Japan beschreibt nun eine Einschlafmethode, die ein Kind, selbst wenn es weint, innerhalb von 13 Minuten einschlafen lässt, dank liebevoller Begleitung durch die Eltern.

Hintergrund

Ausgiebiges Schreien und das Schlafverhalten von Neugeborenen stehen in enger Beziehung zueinander. Eltern, die von exzessivem Schreien berichten, klagen häufig auch über Ein- und Durchschlafprobleme ihres Kindes (Petermann & Buderus, 2017). Sowohl die Tagesschlafdauer als auch die Dauer des Schreiens variieren bei Neugeborenen. Eine gesunde Tagesschlafdauer in den ersten drei Lebensmonaten liegt zwischen etwa 14 und 17 Stunden (Hirshkowitz et al., 2015). Das Schreiverhalten findet mit 6 Wochen seinen Höhepunkt. So schreien 6 Wochen alte Kinder 2,5 bis 3 Stunden am Tag (Petermann & Buderus, 2017).  Etwa 20 bis 30 % aller Neugeborenen schreien exzessiv und haben Schlafprobleme (James-Roberts & Halil, 1991). Ausgiebiges Schreien und Schlafprobleme des Kindes bedeuten eine enorme Belastung für die Eltern. Es ist bekannt, dass diese Probleme eine enorme Belastung für die Eltern bedeuten und die Gefahr von Kindeswohlgefährdung signifikant steigen lassen (Reijneveld et al., 2004). 

Abhilfe aus Japan

Ein Team von Wissenschaftlern aus Japan veröffentlichte nun eine Studie, in der eine Methode vorgestellt wird, Säuglinge erfolgreich in den Schlaf zu begleiten. Die Studie basiert auf den Erkenntnissen früherer Studien, die festgestellt haben, dass sich die Neugeborenen von Säugetieren beruhigen, sobald sie getragen werden. Dies ist ein Reflex des Säugetieres, da das Getragenwerden durch die Mutter bei Tieren eine Notsituation bedeuten könnte, in der das Schreien des Kindes hinderlich wäre. Dieser Reflex nennt sich „Infant calming response“ – zu deutsch „Säuglings-Beruhigungs-Reaktion“ – und wurde auch bei menschlichen Kindern beobachtet (Esposito et al., 2013).

Vorgehensweise

Die Herzfrequenz von Säuglingen wurde mittels EKG während vier verschiedener Szenarien gemessen. Verglichen wurden die Herzfrequenz und das Verhalten der Kinder, wenn sie von der Mutter getragen wurden, im Arm der sitzenden Mutter, im Kinderbett und im Kinderwagen in Bewegung. Die beiden Situationen, in denen das Kind bewegt wurde (im Arm und im Kinderwagen), zeigten eine deutliche Beruhigung des Kindes sowohl im Verhalten als auch in der Herzfrequenz. Besonders das Tragen im Arm zeigte Wirkung: Nach 5 Minuten hörten alle Kinder auf zu weinen. 46 % der Kinder waren eingeschlafen und weitere 18 % schliefen innerhalb einer Minute nach dem Beenden der Bewegung ein.

Wurden die Kinder direkt nach der 5-minütigen Bewegung in ein Kinderbett gelegt, wachte ein Drittel von ihnen wieder auf. Die Beobachtung der Herzfrequenz zeigte, dass diese wieder ansteigt, sobald der kindliche Körper den Kontakt zur Mutter verliert, und nicht etwa dann, wenn das Kind in das Bett gelegt wird. Die weitere Untersuchung ergab, dass der Erfolg des Weiterschlafens nach Ablegen nicht davon abhängig war, wie das Kind abgelegt wurde, sondern wann. Erst 5 bis 8 Minuten nach dem Einschlafen stabilisierte sich der Schlaf und die Kinder konnten erfolgreich abgelegt werden. Dies deckt sich den Autoren zufolge mit bekannten Daten über den Schlafrhythmus von Säuglingen. 

Empfehlung der Autoren

Die Autoren kommen durch ihre Studie zu einer einfachen, aber erfolgsversprechenden Empfehlung: Um einen Säugling in den Schlaf zu begleiten, sollte man ihn zunächst 5 Minuten gehend im Arm tragen und sich danach 8 Minuten mit dem Kind im Arm hinsetzen. Danach kann man das Kind in ein Kinderbett legen und es schläft weiter. Dies klappt meistens sogar, wenn das Kind vorher geweint hat, vorausgesetzt alle anderen Grundbedürfnisse sind erfüllt.

Implikationen für die Praxis

Jedes Kind ist anders und benötigt unterschiedliche Unterstützung. Die Empfehlungen der Autoren sind eine bedürfnisorientierte und evidenzbasierte Methode, um ein Kind in den Schlaf zu begleiten und dabei dem Bedürfnis des Kindes nach Nähe zu seinen Bezugspersonen gerecht zu werden. Es lohnt sich mit Sicherheit, wenn schlafmangelgeplagte Eltern diese Empfehlungen bei ihren Kindern ausprobieren und so gegebenenfalls die Belastung für sich und ihr Kind etwas mindern. Der Babyschlaf ist aber immer auch individuell verschieden!

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Babyschlaf & Tragewissenschaft

Referenzen:
Esposito, G., Yoshida, S., Ohnishi, R. et al. (2013). Infant Calming Response during Maternal Carrying in Humans and Mice, in: Current biology. 23(9).
Hirshkowitz, M., Whiton, K., Albert, S. et al. (2015). National Sleep Foundation´s updated sleep duration recommendations: final report, in: Sleep Health. 1(4).
James-Roberts, I., Halil, T. (1991). Infant crying Patterns in the First Year: Normal Community and Clinical Findings, in: Journal of Child Psychology and Psychiatry. 32(6).
Ohmura, N., Okuma, L., Truzzi, A., et al. (2022). A method to soothe and promote sleep in crying infants utilizing the transport response, in: Current biology. 32(20).
Petermann, F., Buderus, S. (2017). Der übermäßig schreiende Säugling, In: Consilium Hebamme, Pädia. 4/2017.
Reijneveld, S., van der Wal, M., Burgman, E. et al (2004). Infant crying and abuse, in: The Lancet. 364(9442).