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Neue Empfehlungen des Early Nutrition Project: Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit und frühen Kindheit

07.2019
Autor
Dr. J. Hower, Pädiater

Forscher aus 36 Institutionen der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und Australien haben zur Stärkung der Evidenz im "Early Nutrition Research Project" Empfehlungen zur Ernährung erarbeitet. Die Autoren empfehlen, Maßnahmen zu entwickeln, die Frauen bereits vor der Schwangerschaft unterstützen sollen, ein gesundes Gewicht zu erhalten oder zu erreichen.

Vor der Schwangerschaft

  • Der Aufnahme von Folsäure sollte bei allen Frauen im gebärfähigen Alter besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der Nutzen einer routinemäßigen prä- und post-konzeptionellen Einnahme von Folsäure (400 µg pro Tag) zur Minderung schwerer Missbildungen (Neuralrohrdefekte, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Herzfehler) gilt als weitestgehend gesichert. Falls erforderlich, sollte eine Nahrungsergänzung mit Eisen, Vitamin D, Vitamin B12, Jod und weiteren Mikronährstoffen ebenfalls schon vor der Konzeption erfolgen.

 

Während der Schwangerschaft

  • Bei ausreichender Ernährung vor der Schwangerschaft muss sich die Ernährung in der Schwangerschaft nicht wesentlich ändern. In der Schwangerschaft steigen die diätetischen Referenzmengen für einige Mikronährstoffe jedoch stärker an als die Referenzmengen für Energie.
    Praxistipp: Pflanzliche Lebensmittel wie grünes Blattgemüse, Kohl, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Tomaten und Orangen werden besonders als diätetische Quellen für Folsäure und weitere Mikronährstoffe empfohlen. 
  • Die Autoren unterstützen frühere Empfehlungen, dass schwangere Frauen zweimal pro Woche Meeresfisch essen sollten. Andernfalls sollten sie eine durchschnittliche tägliche Gesamtaufnahme von mindestens 300 mg Omega-3-Docosahexaensäure (DHA) über Supplemente erreichen. Regelmäßiger Verzehr von Fisch oder Supplementen mit langkettigen, mehrfach ungesättigten Omega-3- Fettsäuren (LC-PUFA) verringern das Frühgeburtsrisiko (Geburt vor der 34. Schwangerschaftswoche). 
  • Eine Nahrungsergänzung mit Eisen, Vitamin D, Vitamin B12, Jod und Vitamin A gilt für Frauen mit einem entsprechenden Mangelrisiko. 
  • Die Folsäuregabe sollte mindestens bis in die ersten 16 Wochen der Schwangerschaft fortgeführt und bei sich vegetarisch und vegan ernährenden Schwangeren durch Vitamin B12 (hohes Mangelrisiko) ergänzt werden.
  • Vitamin D hält die Calcium-Homöostase in der Schwangerschaft aufrecht und ermöglicht eine normale kindliche Skelettentwicklung. Die nahrungsabhängige Vitamin-D-Aufnahme ist mit etwa 2 bis 4 µg (80 bis 200 IE) pro Tag unzureichend. Vitamin D wird zusätzlich als Hormon über UV-B bei ausreichender solarer Exposition in der Haut synthetisiert. Frauen mit unzureichender solarer Exposition, dunkler Haut, vor Sonne schützender Kleidung oder Verwendung von Sonnenschutzmitteln besitzen ein erhöhtes Vitamin-D-Mangel-Risiko. Ihnen wird die Einnahme eines zusätzlichen Vitamin-D-Supplements von mindestens 400 IE pro Tag empfohlen. Die gesamte Vitamin-D-Aufnahme einschließlich der Nahrung (z.B. öliger Fisch) und Nahrungsergänzungsmittel sollte im Bereich von 1.000 bis 2.000 IE pro Tag liegen.
  • Schwangere wie stillende Mütter sollten für eine ausreichende Nahrungsaufnahme von Mikro- und Makronährstoffen sorgen. Welchen Einfluss die mütterliche Diät auf die Qualität der Brustmilch und die spätere Gesundheit besitzt, ist noch ungeklärt.

 

Säuglinge und Kleinkinder

  • Die Fütterungspraxis von Säuglingen und Kleinkindern sollte sich an den Standards für eine normale Gewichtszunahme orientieren. Reifgeborene Säuglinge, die nicht gestillt werden, sollten eine dem Alter entsprechende Formulamilch erhalten. Die Gabe einer normalen Kuhmilch muss im ersten Lebensjahr vermieden werden. Im zweiten Lebensjahr sollte die tägliche Aufnahme auf zwei Tassen Milch begrenzt werden.

Referenz:
Koletzko B et al. EarlyNutrition Project Systematic Review Group. Nutrition During Pregnancy, Lactation and Early Childhood and its Implications for Maternal and Long-Term Child Health: The Early Nutrition Project Recommendations. Ann Nutr Metab 2019; 74(2): 93–106

Kommentar: Die Studie der Early Nutrition Group fasst die bekannten Daten zur Ernährung vor der Konzeption, in der Schwangerschaft, der Stillzeit und im Säuglingsalter als Ernährungsempfehlungen zusammen. Nur bei der allgemeinen Empfehlung zur „Optimierung der Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit“ waren sich alle Teilnehmer der Early Nutrition Group in ihrer positiven Empfehlung einig. Bei allen anderen, Einzelheiten betreffenden Empfehlungen, gab es nach den berichteten Abstimmungsergebnissen Einwände, die sich in mehr oder weniger großen Stimmenthaltungen widerspiegeln. Die Gründe hierfür werden nicht angegeben. Unterschiedliche Meinungen gehören zum besseren Verständnis der Zusammenhänge und zum wissenschaftlichen Diskurs.