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Die Louwen-Diät – für eine leichtere Geburt?

12.2021
Autorin Alexandra Lesmann, Hebamme und Ökotrophologin aus Hamburg

Die Ernährung in der Schwangerschaft hat maßgeblichen Einfluss auf deren Verlauf. Die nach dem Arzt Prof. Dr. med. Frank Louwen benannte Diät wird mit einem rechtzeitigen Geburtsbeginn, weniger Geburtsverletzungen und einer verminderten Schmerzempfindlichkeit in Verbindung gebracht.

Wie funktioniert die Louwen-Diät?
Sie basiert auf einem stark reduzierten Verzehr von kurzkettigen Kohlenhydraten, insbesondere von Einfachzuckern, sechs bis acht Wochen vor dem Entbindungstermin. Hintergrund ist die Annahme, Insulin habe direkten, negativen Einfluss auf den Verlauf der späten Schwangerschaft, die Geburt und das Schmerzempfinden. Schnell verfügbare Kohlenhydrate, wie z.B. Haushaltszucker, lassen den Insulinspiegel stark und schnell ansteigen. Dies sei problematisch, da Insulin die gleichen Rezeptoren wie das geburtsfördernde Prostaglandin besetze, so dass Letzteres seine wichtige Funktion schlechter oder nicht ausüben könne. Prostaglandine sind Schmerz-, Entzündungs- und Fieberbotenstoffe, die eine parakrine Wirkung auf die Portio haben und diese weicher und kürzer werden lassen. Sie sind zudem für die gesamte Zervixreifung und die Weheninduktion von Bedeutung. Unter der Geburt vermehrt gebildete Prostaglandine sensibilisieren bei einem Mangel an freien Rezeptoren jedoch Schmerzrezeptoren, ohne ihre vorteilhafte Wirkung für den Geburtsbeginn und die Eröffnung entfalten zu können. Sie verursachen dadurch ein erhöhtes Schmerzempfinden.

Studienlage und Stand der Wissenschaft
Die Empfehlungen von Prof. Dr. med. Louwen basieren im Wesentlichen auf anekdotischer Evidenz aus dessen langjähriger Berufserfahrung in der Geburtshilfe. Direkt zur „Louwen-Diät“ sind der Autorin keine Studien bekannt. Doch es finden sich problemfeldnahe Studien zum Einfluss von Ernährungsformen mit hohen Zuckeranteilen auf die fetale Entwicklung oder das schwangerschaftliche Outcome im Zusammenhang mit Diabetes mellitus. Diese legen nahe, dass eine Ernährung mit einem niedrigen glykämischen Index (GI) zu einer physiologischen Gewichtszunahme und einem normalen Geburtsgewicht führen. Ernährungsweisen mit einem hohen GI deuten indes auf gegenteilige Entwicklungen und auf frühere Geburten hin.

Vorteile
Mehrheitlich positive Erfahrungsberichte indizieren eine vielversprechende Geburtsvorbereitung durch die Diät. Ernährungswissenschaftlich ist die Reduzierung einfacher Kohlenhydrate, die insbesondere in Fertigprodukten, Süßigkeiten und Weißmehlprodukten zu finden sind, grundsätzlich erstrebenswert. Eine auf vielfältigen, komplexen und ballaststoffreichen Kohlenhydraten, wie etwa in Vollkornprodukten und regionalen Gemüse- und Obstsorten, basierende, ausgewogene Kost ist für gesunde Personen immer ratsam. Dies gilt gerade in der Schwangerschaft und Stillzeit. Die DGE empfiehlt für gesunde Menschen, einen Anteil von mindestens 50 % der täglichen Nährstoffzufuhr entsprechend zu decken. Falsch wäre der Schluss, sämtliche Kohlenhydrate seien ungünstig. Bei der Wahl geeigneter Lebensmittel sind Tabellen zur glykämischen Last hilfreich.

Fazit
Obgleich wissenschaftliche Untersuchungen ausstehen, erscheint die „Louwen-Diät“ vielversprechend. Da letztlich auf wenig vorteilhafte Kohlenhydrate verzichtet und der Fokus verstärkt auf eine ausgewogene Ernährung gelegt wird, stehen mögliche Vorteile keinen nennenswerten ernährungsphysiologischen Nachteilen gegenüber.

Anpassungen der Essgewohnheiten sind für viele leichter durch längerfristige, graduelle Schritte zu etablieren. Sehr zuckerreiche und/oder von Weißmehl geprägte Kost sollte daher bereits von Beginn der Schwangerschaft an kontinuierlich reduziert werden. Gewichtsabnahmen in der Schwangerschaft sollten unbedingt verhindert werden. Insbesondere im viszeralen Bauchfettgewebe eingelagerte Schadstoffe könnten andernfalls freigesetzt werden. Schwangere mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus sollten eine Ernährungsumstellung nur nach fachkundiger Beratung vornehmen.

Referenzen:
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Freye E. Neurophysiologische Grundlagen des Schmerzes. In: Opioide in der Medizin; 8. A.; S. 9–12; Berlin, Heidelberg 2010; Springer Verlag.
Seipel B. Gesund essen, leichter gebären. Deutsche Hebammenzeitschrift 1/2011, S. 16; Hannover 2011, Elwin Staude Verlag.
DGE et al. Evidenzbasierte Leitlinie: Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten (2011). Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.; Bonn 2011; https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/ll-kh/DGE-Leitlinie-KH-ohne-Anhang_Tabellen.pdf