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Adipositas, das genetische Make-up und das intestinale Mikrobiom

Autor Dr. J. Hower, Pädiater

Der menschliche Darm beherbergt Milliarden unterschiedlicher Mikroben, die unser Immunsystem prägen und unsere Verdauung unterstützen. Sie gewinnen aus für uns nicht mehr verdaulichen Polysacchariden (komplexen Zuckern) Energie, die ihnen, aber auch dem Wirt Mensch nützen. Das Mikrobiom des menschlichen Darmes (Mikrobiom, die Gesamtheit aller in einem Lebensraum vorkommenden Bakterien) wird deshalb von der Forschung und zunehmend auch von Laien als eine für die Gesundheit entscheidende Größe wahrgenommen.

Das Mikrobiom des Darmes beeinflusst den metabolischen Phänotyp des Menschen, z.B. ob er dünn oder dick wird. Studien an dünnen und dicken Mäusen lassen den Schluss zu, dass die Effizienz, mit der Darmbakterien die Energie, die sie aus der Nahrung gewinnen, und die Art, wie sie genutzt und gespeichert wird, für unser Körpergewicht von Bedeutung ist.

Die Frage, ob auch Unterschiede im menschlichen Wirt-Genom, dem menschlichen genetischen Make-up, das Mikrobiom und damit den menschlichen Phänotyp beeinflussen, wurde bisher noch nicht eindeutig beantwortet. Die Studienautoren haben deshalb die Mikrobiota von Stuhlproben einer britischen Zwillingsstudie miteinander verglichen (416 Stuhlproben von Zwillingspaaren). Mehr als 9600 Bakteriengruppen konnten isoliert werden.

Ergebnisse: Die Mikrobiota monozygoter (eineiiger) Zwillinge waren sich dabei ähnlicher als die Mikrobiota dizygoter (zweieiiger) Zwillinge, was auf die Bedeutung erblicher Wirtsfaktoren hinweist. Bei einigen Bakteriengruppen (Bakteriodetes) waren die Umwelteinflüsse entscheidender als die genetischen Einflüsse des Wirtes. Das Vorkommen der Bakterienfamilie „Christensenellaceae“ war zum Beispiel in hohem Maße genetisch bedingt. Diese Bakterien scheinen, vor einer Adipositas zu schützen. Keimfreie Mäuse, die einen an Christensenellaceae-reichen Stuhl von schlanken Menschen erhielten, blieben schlank. Keimfreie Mäuse, die Stuhl von adipösen Menschen erhielten, wurden adipös. Wenn Christensenellaceae minuta dem Stuhl adipöser Mäuse hinzugefügt wurden, schützte der damit angereicherte Stuhl vor einer Adipositas.
Die Ergebnisse bestätigen weitere Studien, in denen der Einfluss des Mikrobioms auf die Entwicklung der Adipositas nachgewiesen werden konnte. Die Daten zeigen aber auch, dass die Genetik des Wirtes die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst. Aus der Manipulation des menschlichen Genoms mögen sich mit zunehmender Kenntnis neue präventive therapeutische Perspektiven entwickeln.

Referenz: Turnbaugh, PJ et al. A core gut microbiome in obese and lean twins. Nature 2009 Jan 22, 457(7228): 480-484 Goodrich, JK et al. Human genetics shape the gut microbiome. Cell 2014 Nov 6, 159: 789-799