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Der postpartale Jodstatus von stillenden Frauen und ihren Säuglingen

05.2022
Autor Dr. J. Hower, Pädiater aus Mühlheim a.d. Ruhr

Bereits während der Schwangerschaft muss die Jodaufnahme erhöht werden, um dem vermehrten Bedarf an Schilddrüsenhormonen zur intrauterinen Entwicklung zu entsprechen. Ausschließlich gestillte Säuglinge sind in den ersten 6 Monaten für die Synthese ihrer Schilddrüsenhormone auf eine ausreichende Jodversorgung durch die Mutter angewiesen. Danach können Säuglinge zusätzliches Jod über geeignete Beikost erhalten.

Welche Frauen sind in der Stillzeit durch Jodmangel gefährdet?

  • Frauen, die nicht regelmäßig Milchprodukte, Seefisch oder Meeresfrüchte konsumieren.
  • Frauen, die kein Jodsalz verwenden.
  • Frauen, die Zigaretten rauchen. 
  • Frauen, die häufig Lebensmittel essen, die Goitrogene (kropffördernde Nahrungsmittel) enthalten, d.h. Stoffe, die die Fähigkeit der Schilddrüse einschränken, Schilddrüsenhormone zu produzieren. Zu diesen Lebensmitteln gehören Rosenkohl, Grünkohl, Kohl, Blumenkohl, Radieschen und Brokkoli.

In Neuseeland wurden zur Linderung des allgemeinen Jodmangels zwei Strategien eingeführt: die obligatorische Anreicherung von Brot mit Jodsalz (2009) und ein staatlich subventioniertes Jodsupplement für stillende Frauen (2010). Dann wurde der Jodstatus von stillenden Müttern und Säuglingen im ersten Jahr nach der Geburt mit dieser MINI-Studie (Mother and Infant Nutrition Investigation) erfasst.

Studiendesign: Insgesamt nahmen 87 Mutter-Kind-Paare im Alter von 3 Monaten nach der Geburt an der Studie teil. Alle Frauen stillten, 96 % der Frauen noch nach 6 Monaten, 46 % nach 12 Monaten. Der Anteil der Frauen, die jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel ein-nahmen, sank 3 Monate nach der Geburt auf 46 % und nach 12 Monaten auf 6 %. Jodkonzentrationen in der Muttermilch, im mütterlichen und kindlichen Urin wurden mit 3, 6 und 12 Monaten bestimmt.

Ergebnisse: Jodkonzentrationen im Urin <125 µg/l pro Tag werden von Dold et al. als Jodmangel definiert.

  • Mütter, die Jodsupplemente einnahmen, wiesen 3 Monate nach der Geburt eine höhere Jodkonzentration im Urin auf als Mütter, die nicht supplementierten (111 µg/l gegenüber 66 µg/l).
  • Exklusiv gestillte Säuglinge zeigten mit 3 Monaten im Urin mit 80 µg/l (n=13) geringere Werte als nur teilweise gestillte oder Säuglinge, die schon ergänzende feste Nahrung erhielten. Die mittlere Jodkonzentration in der Brustmilch betrug zu allen drei Zeitpunkten weniger als die empfohlene Konzentration von 75 µg/l. 
  • Exklusiv stillende Frauen zeigten bei niedrigerer Jodzufuhr eine stärkere Abgabe von Jod in die Muttermilch und eine verringerte Jodausscheidung im Urin, was auf einen biologischen Schutzmechanismus (Triage) für den Jodstatus gestillter Säuglinge schließen lässt.

Fazit: Die Kohorte junger Frauen aus Neuseeland wies nach der Geburt einen Jodmangel auf, was zu einer suboptimalen Jodversorgung der gestillten Säuglinge führte. Stillende Frauen, die keine jodhaltigen Nahrungsmittel zu sich nehmen, sollten ihren Jodbedarf über ein Supplement decken.

Kommentar: Die gesundheitlichen Folgen eines Jodmangels umfassen körperliche, neurologische und intellektuelle Beeinträchtigungen. Dies gilt besonders für Schwangerschaft und Stillzeit. Mit der Anreicherung von Salz, dessen Konsum rückläufig ist, und von Brot, das in Neuseeland weniger häufig auf den Tisch kommt, scheinen die vorhandenen präventiven Maßnahmen bei stillenden Müttern nicht auszureichen. Die MINI-Studie hat gezeigt, dass Frauen, die 3 Monate nach der Geburt jodhaltige Nahrungssupplemente ein-genommen hatten, eine signifikant höhere mittlere Jodkonzentration im Urin aufwiesen als Frauen, die keine Ergänzung eingenommen hatten (111 vs. 68 µg/l). Eine „Post-Fortification-Studie“ an stillenden australischen Frauen (n=60) bestätigt den von den Autoren der MINI-Studie nachgewiesenen positiven Effekt der Supplementierung auf die mütterliche Jodkonzentration im Urin (206 vs. 97 µg/l).
In vielen Ländern werden heute unterschiedliche Nahrungsmittel mit Jod angereichert. Wie die beiden Studien zeigen, reichen die Bemühungen nicht aus, um in Zeiten erhöhten Bedarfs den Anforderungen an die tägliche Jodaufnahme vor allem gestillter Säuglinge zu genügen. Die amerikanischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention) empfehlen, vor der Schwangerschaft 150 µg pro Tag, während der Schwangerschaft 220 µg pro Tag und während der Stillzeit 290 µg pro Tag als Supplement einzunehmen.

Anmerkung der Redaktion: Deutsche EmpfehlungenGesund ins Leben: Warum zusätzlich Jod für Stillende?

  • Vor der Schwangerschaft: 200 µg/Tag
  • Während der Schwangerschaft: 230 µg/Tag
  • Stillenden Mutter: 260 µg/Tag

 

Referenzen:
Jin Y et al. Iodine status of postpartum women and their infants aged 3, 6 and 12 months: Mother and Infant Nutrition Investigation (MINI). Br J Nutr 2021 Apr 16; 1–10 [online ahead of print].
Dold S et al. A dose-response crossover iodine balance study to determine iodine requirements in early in-fancy. Am J Clin Nutr 2016 Sep; 104(3): 620–628.
Bougma K et al. Iodine and mental development of children 5 years old and under: a systematic review and meta-analysis. Nutrients 2013; 5: 1384–1416.
Eastman C et al. Optimal assessment and quantification of iodine nutrition in pregnancy and lactation: la-boratory and clinical methods, controversies, and future directions. Nutrients 2019; 11: 2378.
Axford S et al. Improved iodine status in breastfeeding women following mandatory fortification. Aust N Z J Public Health 2011 Dec; 35(6): 579–580.
CDC. Centers for Disease Control and Prevention. Breastfeeding: Iodine. https://www.cdc.gov/breastfeeding/breastfeeding-special-circumstances/diet-and-micronutrients/iodine.html (download 20.11.2021).