Vaginal-operative Geburt vs. sekundäre Sectio

04.2025
Autorin: Lara Mönter, B.Sc. Hebammenwissenschaften, Hebamme aus Fiersbach
Die Sectio-Rate steigt weltweit stetig an, vaginal-operative Geburten (assisted vaginal birth – kurz AVB) nehmen ab (Bahl et al.). Doch je größer der Geburtsfortschritt, desto risikoreicher ist die Durchführung einer Sectio für Mutter und Kind (Berghella et al.). Eine Studie von Bahl et al. aus dem Jahr 2024 spricht sich bei Notwendigkeit einer Intervention nun dafür aus, dass die Durchführung einer AVB anstelle einer Sectio wieder häufiger als mögliche Alternative angesehen werden sollte, und begründet dies in Vorteilen für die mütterliche und kindliche Gesundheit und in der höheren Zufriedenheit der Frauen.
Geburtsmodus
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet eine Sectio-Rate von bis zu 15 % als optimal, um das Risiko für Kurz- und Langzeitfolgen sowie negative Einflüsse auf Folgeschwangerschaften so gering wie möglich zu halten (Lorenz). Obwohl sowohl weltweit als auch in Deutschland diese Zahl längst überschritten ist, steigt die Rate stetig weiter an. Die Rate an Spontangeburten und assistierten vaginalen Geburten sinkt hingegen (Bahl et al.).
Eine erfolgreiche Spontangeburt birgt das geringste Risiko für Mutter und Kind. Interventionen sind mit Risiken verbunden. So ist bekannt, dass eine Sectio-Geburt unter anderem das Risiko für die Notwendigkeit einer Beatmung der Mutter, für eine tiefe Beinvenenthrombose und für schwere akute mütterliche Morbidität erhöht (AWMF-Leitlinie „Die Sectio caesarea“, 2020). Laut AWMF-Leitlinie zu dem Thema vaginal-operative Geburt (2023) erhöht diese unter anderem das Risiko für Rissverletzungen, Beckenbodenschäden, Inkontinenz, vermehrte Schmerzen und durch eingeschränkte Mobilität das Risiko für Thromboseerkrankungen.
Die aktuell gültige AWMF-Leitlinie zur Sectio-Geburt gibt keine Auskunft über Indikationen für eine sekundäre Sectio. Es werden lediglich Indikationen für eine primäre Sectio thematisiert. Als Indikationen für eine AVB nennt die AWMF-Leitlinie zur vaginal-operativen Geburt den Geburtsstillstand oder die prolongierte Austrittsphase, eine (drohende) fetale Hypoxie, maternale Erschöpfung und die Überlegung, die Belastung beim Pressen gering zu halten.
Vergleich AVB und Sectio
Eine britische Forschungsgruppe um Bahl et al. veröffentlichte 2024 einen Review, der sich mit der Fragestellung beschäftigt, ob bei Notwendigkeit einer Intervention in der Austreibungsphase eine AVB gegenüber einer Sectio-Geburt bevorzugt werden solle.
Bei Durchsicht der Studienlage stellen die Autoren fest, dass eine Sectio-Geburt ab vollständiger Öffnung des Muttermundes Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften haben kann. Das Risiko für Früh- und Fehlgeburten, Plazenta praevia und Plazentalösungsstörungen in Folgeschwangerschaften ist im Vergleich zur AVB erhöht.
Die Durchführung einer AVB bei protrahierter Austreibungsphase ist im Vergleich zur Sectio mit einem geringeren Bedarf an Analgetika assoziiert und hat weniger negative Auswirkungen auf den Erfolg einer Spontangeburt bei einer Folgeschwangerschaft. Zudem nimmt sie weniger Zeit in Anspruch und ist kostengünstiger.
Risiken einer AVB sind Verletzungen des Neugeborenen, die sich in den meisten Fällen auf Schürfwunden oder Kephalhämatome beschränken. Hirnblutungen treten bei AVB und Sectio etwa gleich häufig auf. Langfristige Schäden am Beckenboden liegen nach einer AVB in einem ähnlichen Bereich wie nach Spontangeburt (ca. 50 % innerhalb des ersten Jahres nach Geburt, ca. 34 % innerhalb der nächsten 15 Jahre nach Geburt) und sind nach einer Sectio deutlich geringer. Besonders die Zangengeburt erhöht hier das Risiko, eine Vakuumextraktion birgt ein geringeres Risiko als die Zangengeburt.
Eine weitere wichtige Erkenntnis des Reviews von Bahl et al. ist die Sicht der Frauen auf die verglichenen Interventionen. Frauen, die beide Interventionen erlebt haben, bevorzugen zu 97 % die AVB und es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass sie die Intervention einer Freundin empfehlen würden (92 % AVB vs. 43 % Sectio).
Empfehlungen der Autoren
Ein wichtiger Faktor für geringe negative Auswirkungen einer AVB ist, dass die Geburt mit Nutzung des ersten gewählten Instruments gelingt. Mit Wechsel auf ein zweites Instrument (von Geburtszange auf Vakuumextraktion oder andersherum) steigt das Risiko für Mutter und Kind. Bei der Wahl des Instrumentes spielen Faktoren wie die Verfügbarkeit (besonders in Ländern mit eingeschränkter Gesundheitsversorgung) und Erfahrungslevel der durchführenden Fachkraft eine Rolle. Wenn das kindliche Köpfchen bereits im Beckenausgang steht, empfehlen die Autoren die Durchführung einer Vakuumextraktion. Befindet sich das kindliche Köpfchen höher, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen AVB durch Nutzung der Geburtszange höher, jedoch gleichzeitig die Gefahr für eine Schädigung des Beckenbodens.
Referenzen
Bahl, R., Hotton, E., Crofts, J., Draycott, T. (2024). Assisted vaginal birth in 21st century: current practice and new innovations, in: American Journal of Obstetrics & Gynecology, 230(3), Supplement, S. 917-931.
Berghella, V., Gimovsky, A., Levine, L., Vink, J. (2017). Cesarean in the second stage: a possible risk factor for subsequent spontaneous preterm birth, in: American Journal of Obstetrics & Gynecology, 217.
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (Stand 01.06.2020). AWMF S3-Leitlinie, Die Sectio caesarea. Registernummer 015-084.
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (Stand 01.11.2023). AWMF S2k-Leitlinie, Vaginal-operative Geburt. Registernummer 015-023.
Lorenz, J. (2016). WHO-Sectiorate – Einfluss auf die globale maternale und neonatale Mortalität, in: Zeitschrift für Geburtshilfe & Neonatologie, 220(01). DOI: 10.1055/s-0034-1398309 Zuletzt aufgerufen am 22.04.2025