Zeitpunkt der Einführung und Art der Zubereitung sind wichtig für das Risiko einer Hühnereiallergie

06.2025
Autor Dr. Martin Claßen, Bremen

Hühnerei gehört zu den besonders potenten Nahrungsmittelallergenen und ist für eine hohe Zahl an Sensibilisierungen verantwortlich. Es besteht weiterhin Unsicherheit, wann bei Risikokindern mit Atopie Hühnerei in der Beikost eingeführt werden sollte. In einer spanischen Studie wurden nun Säuglinge unter 6 Monaten mit hohem Atopierisiko (manifeste atopische Dermatitis und/oder bekannte Kuhmilchallergie) randomisiert, entweder eine streng hühnereifreie Diät einzuhalten oder täglich gebackenes Ei gefüttert zu bekommen. 
Nach 6 Monaten wurde bei allen 27 randomisierten Säuglingen eine orale Provokation mit hart gekochten Eiern durchgeführt. Alle Kinder, die regelmäßig Ei bekommen hatten, zeigten zu diesem Zeitpunkt keine Reaktion bei der Provokation. Nach konsequenter Meidung von Ei war das nur bei 47,4 % der Fall. Auch die spezifischen IgE-Antikörper sanken unter der regelmäßigen Zufuhr ab, blieben jedoch in der Karenzgruppe gleich hoch. Das Ergebnis eines Basophilen-Aktivierungstestes konnte das Ergebnis der oralen Provokation gut vorhersagen. 
Die Studie bestätigt für das Allergen Hühnerei, dass eine orale Karenz bei Säuglingen mit Atopierisiko keine gute Strategie zur Prävention manifester Allergien darstellt, sondern eine frühe, regelmäßige orale Zufuhr in der Säuglingszeit das Risiko einer Reaktion signifikant vermindert.

Kommentar: Der Leitsatz lautet: Der Darm ist für die Entwicklung einer Toleranz gegen Nahrungsmittelallergene verantwortlich. Auch bei oraler Karenz könnte es durch nicht vermeidbare Expositionen an anderen Organen (Haut, Respirationstrakt) zur IgE-vermittelten Sensibilisierung kommen. Wie beim Erdnussprotein hilft die frühe orale Zufuhr ab dem Alter von 4-6 Monaten, das Risiko von allergischen Reaktionen gegen Nahrungsallergene zu reduzieren. Dieses kritische Zeitfenster sollten wir in Atopikerfamilien positiv nutzen und entsprechend beraten. 
Besonders gefährdet für die Entwicklung einer Hühnereiallergie sind Kinder mit manifester Typ-1-Kuhmilchallergie oder einer atopischen Dermatitis. 
Die Studie hat nur gekochtes oder gebackenes Ei eingesetzt. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Proteinstrukturen und die Konformation der Epitope durch die thermische Behandlung verändert werden und sich die Allergenität vermindert. Darüber hinaus können Matrixeffekte bei gleichzeitiger Verwendung von Mehlen ebenfalls zu einer Reduktion der Allergenität beitragen. Insofern sollten gekochte oder gebackene Eier und eihaltiges Gebäck konkret ab Beikostbeginn empfohlen werden. Die guten Vorhersagewerte des Basophilen-Aktiverungstests für eine klinische Reaktion müssen an größeren Kollektiven noch überprüft werden.

Referenzen:
Rosillo Gil, C, Vázquez, D, Machinena-Spera, A, del Mar Folqué Jiménez, M, Lozano-Blasco, J, Jiménez Feijoo, R., Domínguez Sánchez, O, Piquer Gibert, M, Dias Costa, M, Alvaro-Lozano, M. Tolerance to cooked egg in infants with risk factors for egg allergy after early introduction of baked egg. Allergologia et Immunopathologia. 2025, 53(2), 59-66. DOI: 10.15586/aei.v53i2.1257