Vom frühen Hautkontakt direkt nach der Geburt profitieren auch die Eltern

09.2025
Autor Dr. Martin Claßen, Bremen

Die neonatologische Versorgung nimmt zunehmend den engen und intensiven Kontakt zwischen Eltern und Kindern in den Fokus, um das Bonding und das Outcome der Kinder zu verbessern. Dazu ist die Känguru-Pflege in allen neonatologischen Stationen mittlerweile Standard. Unklar ist, wie früh der Hautkontakt zwischen Eltern und Kindern etabliert werden sollte, insbesondere wenn es sich um instabile Frühgeborene handelt.
Die Studie an drei Kliniken in Schweden und Norwegen untersuchte bei Frühgeborenen (FG) der 28.-33. Schwangerschaftswoche, ob dieser Hautkontakt unmittelbar nach der Geburt einen Einfluss auf die Situation der Babys hat. Eingeschlossen wurden 91 FG (36 Zwillinge [40 %]) and je 73 Mütter und Väter. Die Kinder hatten ein mittleres Gestationsalter von 31 + 1 Wochen und ein durchschnittliches Geburtsgewicht von 1534 g. Die Erstversorgung, die Anlage des Monitorings bis zur Anlage von venösen Zugängen erfolgte in der Verum-Gruppe auf dem Bauch der Mutter (falls diese nicht verfügbar war, beim Vater). Der Transport auf die neonatologische Station wurde ebenfalls auf dem Bauch des Elternteils durchgeführt. Damit verbrachten die Babys einen großen Teil ihrer ersten Lebensstunden auf dem Bauch der Eltern. Die Kontrollgruppe wurde standardmäßig auf einer Reanimationseinheit erst- und dann im Inkubator weiterversorgt. Die primären Outcome-Parameter der kindlichen kardiorespiratorischen Stabilität und die Mutter-Kind-Beziehung im Alter von 3 Monaten zeigten bereits Vorteile für die Gruppe mit Hautkontakt, ohne Nachteile für die Temperatur-Parameter.
Die sekundäre Analyse von elterlichen psychischen Faktoren mithilfe von validierten Fragebögen ergab eine signifikante Verminderung von Depressionssymptomen bei der Mutter 1 Woche nach der Geburt. Beim Vater waren nach 1 Woche Angstsymptome reduziert und zum errechneten Geburtszeitpunkt depressive und Angstsymptome reduziert. Zur Untersuchung im Alter von 3 Monaten nivellierten sich die Unterschiede.

Kommentar: Diese Studie gefiel mir, weil sie den Effekt des unmittelbaren postpartalen Hautkontakts nicht auf die Kinder, sondern auf die elterliche psychische Gesundheit untersucht hat. Bekannt ist, dass die psychische Gesundheit der Eltern gerade bei Frühgeburtlichkeit sehr belastet ist und dass psychisch stabile Eltern viel besser für ihr frühgeborenes Kind sorgen können. Der Ablauf der neonatologischen Versorgung kann also Einfluss auch auf die Eltern haben, wie die skandinavische Studie zeigt. Klar ist, dass alle neonatologischen Kolleg*innen die optimale Versorgung der FG als Ziel haben. Dass dies möglich ist und zusätzlich auch für das Wohlbefinden von Eltern gesorgt werden kann, wird hier deutlich. Faszinierend erscheinen mir die Fortschritte auf diesem Gebiet in den letzten 40 Jahren – aber weitere Optimierungen sind offensichtlich noch möglich.

Referenzen:
Lode-Kolz K, Jonas W, Hetland HB, Hovland Instebø KH, Tokvam H, Pike H, Lilliesköld S, Klemming S, Linnér A, Ådén U, Rettedal S. Immediate Skin-to-Skin Contact at Very Preterm Birth and Neurodevelopment the First Two Years: Secondary Outcomes from a Randomised Clinical Trial. Children (Basel). 2025 Jul 27;12(8):986. DOI: 10.3390/children12080986