Technoferenz oder Phubbing – wie elektronische Geräte die Entwicklung von Kindern gefährden können

10.2025
Author Dr. Martin Claßen, Bremen

Eine der großen Bedrohungen für die kindliche Entwicklung könnte in unseren Tagen der Gebrauch elektronischer Geräte durch die Eltern in Anwesenheit der Kinder sein. Diese lenken die Erwachsenen von der Interaktion, der Kommunikation und von gemeinsamen motorischen Aktivitäten ab. Eine australische Metaanalyse aller vorhandenen wissenschaftlichen Studien dazu hat nun versucht, die Evidenz zusammenzufassen. 21 Studien in den Altersgruppen 0-4,9 Jahre mit 14.900 Teilnehmern in 10 Ländern genügten den Inklusionskriterien. Signifikante Assoziationen fanden sich zwischen dem Gebrauch der Geräte und kognitiven Fähigkeiten (r = -0.14; 95 % CI, -0.23 bis -0.04), internalisierenden Verhaltensstörungen, Verhalten und Emotionen (r = +0.13; 95 % CI, 0.08 bis 0.19), externalisierenden Verhaltensstörungen (r = +0.15; 95 % CI, 0.09 bis 0.21), sozialem Verhalten (r = -0.08; 95 % CI, -0.13 bis -0.02), Bindungsfähigkeit (r = -0.10; 95 % CI, -0.19 bis -0.01) und Bildschirmzeiten (r = +0.23; 95 % CI, 0.13 bis 0.32). Dabei spielte es keine Rolle, ob die Eltern durch die Geräte abgelenkt oder bei der Beschäftigung mit dem Kind unterbrochen wurden. Keine der Studien untersuchte Auswirkungen auf motorische Entwicklung, körperliche Aktivitäten oder Schlaf der Kinder.

Kommentar

Wie wir alle wissen, spielt in der frühkindlichen Entwicklung die enge Interaktion zwischen den Kindern und ihren Eltern eine zentrale Rolle. Wenn diese unmittelbar auf die Signale der Kinder reagieren, fördert das die emotionale Sicherheit und Bindung, übt kommunikative Interaktion und begünstigt die spielerische Erkundung des Umfeldes der Kinder. Im Spiegel des Gesichtes der Eltern werden emotionale Reaktionen eingeübt. Sind Eltern aber durch den Gebrauch elektronischer Geräte abgelenkt, vermindern oder verzögern sich viele der entwicklungsmäßig so wichtigen Reaktionen. Bis zu 70 % von Eltern geben an, beim gemeinsamen Essen oder Spielen ein Smartphone zu nutzen. Dies wird auch als Technoferenz oder Phubbing bezeichnet (Letzteres ein Kunstwort, das sich zusammensetzt aus phone und snubbing).

Die hier vorgestellte Metaanalyse unterstreicht die Sorgen, die wir Pädiater diesbezüglich haben. Zwar können die Studien bisher nur Assoziationen nachweisen und keine Kausalitäten beweisen. Dennoch finde ich die Ergebnisse so deutlich, dass ich auch bei geringen Effektstärken angesichts der breiten Auswirkungen auf eine Vielzahl von Entwicklungsaspekten, aber auch von psychischen und emotionalen Kategorien zu einer konsequenten Abstinenz in Anwesenheit von Säuglingen und Kleinkindern rate.

Die große Aufgabe ist es, angesichts der Allgegenwärtigkeit von Elektronik Eltern zu einem Nachdenken und zur Karenz zugunsten ihrer Kinder zu bewegen. Das wird nur durch gemeinsame Anstrengungen von Hebammen, Pädiater*innen und Erzieher*innen gelingen, flankiert durch regelmäßige Aktivitäten in sozialen Netzwerken, Funk und Fernsehen etc.

Referenz:

Toledo-Vargas M, Chong KH, Maddren CI, Howard SJ, Wakefield B, Okely AD. Parental Technology Use in a Child's Presence and Health and Development in the Early Years: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Pediatr. 2025 May 5;179(7):730–7. DOI:10.1001/jamapediatrics.2025.0682