Ondansetron kann bei der Behandlung der akuten Gastroenteritis auch nach dem Klinikaufenthalt hilfreich sein

09.2025
Autor Dr. Martin Claßen, Bremen

Die akute Gastroenteritis (AGE) gehört zu den häufigen infektiösen Erkrankungen auch in Deutschland, führt zu tausenden Notfallvorstellungen und birgt durch die Gefahr der akuten Dehydration immer noch erhebliche gesundheitliche Risiken insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder. 90-95 % der Kinder zeigen nicht nur eine Diarrhoe, sondern auch Erbrechen, das einerseits zum Flüssigkeitsdefizit beiträgt, andererseits die orale Rehydration erschwert.
Als Antiemetikum gilt Ondansetron seit Jahren als Medikament der Wahl in der Behandlung der AGE in den Notfallambulanzen. Unklar war, ob eine Weiterbehandlung zu Hause positive Effekte hat. In der großen kanadischen Studie wurden 1030 Kinder von 6 Monaten bis 18 Jahren (medianes Alter 47.5 Monate (IQR 22,4-80,4 M) randomisiert, entweder 0,15 mg/kg (max. 8 mg)/Dosis oder Placebo zu bekommen, maximal 6 Dosen mit einem minimalen Abstand von 8 Stunden. 261 (56,9 %) in der Verum-Gruppe erhielten kein Ondansetron, 22,8 % eine Dosis, 7,8 % der Kinder mindestens 3 Dosen. Mithilfe eines Scores zur Beurteilung der Schwere der AGE wurde der Verlauf über 7 Tage bewertet.
Die Ondansetron-Gruppe hatte einen niedrigeren Anteil eines schweren Verlaufs (5,1 % (23 von 452), verglichen mit 12,5 % (55 von 441) in der Placebogruppe – Risikounterschied -7,4 %). Die Anwendung von Ondansetron war assoziiert mit einem reduzierten Risiko eines moderaten bis schweren Verlaufs (adjustierte odds ratio, 0.50; 95 % CI, 0.40 bis 0.60). Obwohl es in Bezug auf die mittlere Dauer des Erbrechens oder die Gesamtzahl der Erbrechensepisoden geringe, aber keine signifikanten Differenzen gab, war innerhalb der ersten 48 Stunden die Zahl der Erbrechensepisoden niedriger in der Ondansetron-Gruppe (adjustierte rate ratio, 0.76; 95 % CI, 0.67 bis 0.87). Substanzielle Unterschiede zwischen den Gruppen gab es weder bei der Häufigkeit ungeplanter Arztkontakte noch bei der Notwendigkeit intravenöser Flüssigkeit oder bei den unerwünschten Ereignissen.

Kommentar: Die Behandlung der akuten Gastroenteritis gehört weiterhin zu den diffizilen Fällen in den Notfallsprechstunden. Eine Kernfrage ist, ob man Kinder mit Erbrechen intravenös rehydrieren muss. Tatsache ist auch, dass in Deutschland immer noch zu viel stationär intravenös rehydriert wird. Dies wird auch in der Neuauflage der deutschen Leitlinie zur akuten Gastroenteritis besonders betont. Die erste wesentliche Maßnahme bei Kindern mit Erbrechen ist die Gabe der oralen Rehydrationslösung (ORL) in kleinen Portionen und kurzen Zeitintervallen. Wenn dies nicht funktioniert, sollte die ORL auch per Sonde gegeben werden. In schweren Fällen sollte wie in der dargestellten Studie nur Ondansetron angewendet werden und nicht Dimenhydrinat, weil Letzteres die Kinder müde macht und die orale Rehydration erschwert. Auch kann nach initialer Stabilisierung in der Notfallsprechstunde der weitere Verlauf mit Ondansetron offensichtlich günstig beeinflussen. Die Studie aus Kanada würde mich dazu ermutigen, Eltern dazu Ondansetron zu verschreiben.

Referenzen:
Freedman SB, Williamson-Urquhart S, Plint AC, Dixon A, Beer D, Joubert G, Pechlivanoglou P, Finkelstein Y, Heath A, Zhang JZ, Wallace A, Offringa M, Klassen TP; Pediatric Emergency Research Canada Innovative Clinical Trials Study Group. Multidose Ondansetron after Emergency Visits in Children with Gastroenteritis. N Engl J Med. 2025 Jul 17;393(3):255-266. DOI: 10.1056/nejmoa2503596