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Risiken der Abnehmspritze vor und während der Schwangerschaft

12.2025
Autorin Violetta Brauksiepe, Bsc. Hebammenwissenschaften, Hebamme aus Essen 

Unter dem umgangssprachlichen Begriff „Abnehmspritze“ werden Medikamente der Wirkstoffklasse der GLP1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) zusammengefasst. Diese wurden ursprünglich für die Therapie des Typ-2-Diabetes entwickelt. Aufgrund ihrer ausgeprägten gewichtsreduzierenden Eigenschaften sind sie inzwischen auch zur Behandlung von Adipositas und Übergewicht zugelassen. Dadurch werden sie zunehmend von einer breiteren Patientengruppe verwendet – einschließlich Frauen im gebärfähigen Alter. Diese Entwicklung wirft spezifische Fragen auf hinsichtlich der Sicherheit und potenzieller Auswirkungen auf die weibliche Fertilität, den Schwangerschaftsverlauf und die fetale Entwicklung.

Wirkstoffe

GLP-1-RA wirken über verschiedene Mechanismen: Sie reduzieren das Hungergefühl im Gehirn, verzögern die Magenentleerung und führen dadurch zu einem längeren Sättigungsgefühl. Insgesamt verbessert sich die Stoffwechsellage, was wiederum eine Verringerung des Körpergewichts unterstützt (Bleich, 2024).

Fertilität vs. Kontraindikationen während der Schwangerschaft

Der primäre therapeutische Effekt der GLP-1-RA – die signifikante Reduktion des Körpergewichts – stellt für Frauen mit Adipositas und Kinderwunsch einen entscheidenden, potenziell fertilitätsfördernden Faktor dar. Es ist wissenschaftlich etabliert, dass Adipositas signifikant mit Störungen der weiblichen Fertilität assoziiert ist. Die medikamentös induzierte Gewichtsreduktion steigert, abhängig vom Alter der Frau, die Voraussetzungen für eine Konzeptionswahrscheinlichkeit (Winkler, 2024, Bleich, 2024).

Diesem potenziell positiven Effekt steht jedoch die klare medizinische Kontraindikation einer Anwendung von GLP-1-RA während einer bestehenden Schwangerschaft gegenüber. Die Gründe dafür sind:

  • Die Wirkstoffe sind nachweislich plazentagängig und können somit den Fetus direkt erreichen.
  • Eine Schwangerschaft stellt einen Zustand höchster anaboler Aktivität dar, der eine adäquate und kontinuierliche Nährstoffzufuhr für das fetale Wachstum erfordert.
  • Die Wirkstoffe reduzieren Appetit und Kalorienaufnahme und verlangsamen die Magenentleerung. Dies steht den physiologischen Erfordernissen einer Schwangerschaft entgegen. Es besteht das Risiko einer unzureichenden Versorgung des Fetus mit Energie sowie Makro- und Mikronährstoffen.
  • Zudem könnte die verlangsamte Magenpassage die Absorption essenzieller Nährstoffe und pränataler Supplemente wie Folsäure beeinträchtigen.

Auswirkungen auf das Kind

Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Exposition auf das ungeborene und das neugeborene Kind hat. Aus ethischen Gründen liegen keine kontrollierten Studien an schwangeren Frauen vor. Im Beipackzettel wird drauf verwiesen, die Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht anzuwenden. Aktuelle Empfehlungen stützen sich auf tierexperimentelle Studien, pharmakologische Überlegungen sowie auf neuere Beobachtungsstudien am Menschen (Winkler, 2024, Bleich, 2024).

Grundlage für die Sicherheitsbedenken bilden die Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien. Bei verschiedenen Tierspezies wurden signifikante negative Auswirkungen auf die embryofetale Entwicklung nachgewiesen. Es zeigten sich eine erhöhte Rate an Embryonensterblichkeit, Fehlgeburten und deutliche Wachstumsretardierungen. Besonders besorgniserregend war das Auftreten von schweren strukturellen Fehlbildungen bei den Feten. Postnatal zeigte sich ein reduziertes neonatales Wachstum (Dicheva-Radev et al., 2024).

Dieser Evidenz stehen jüngst zwei Kohortenstudien am Menschen gegenüber, die auf der Analyse von Gesundheitsregistern basieren und unbeabsichtigte Expositionen in der Frühschwangerschaft untersuchen. Ihre Ergebnisse scheinen auf den ersten Blick eine Entwarnung zu suggerieren. Die Kohortenstudie von Dao et al., welche Daten aus Skandinavien, den USA und Israel auswertete, untersuchte das Risiko für große angeborene Fehlbildungen bei Kindern von Frauen mit Typ-2-Diabetes. Die Studie verglich die Anwendung verschiedener Antidiabetika mit einer Insulintherapie. Es ergab kein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für große kongenitale Fehlbildungen im Vergleich zu Insulin. Ebenso fand sich kein erhöhtes Risiko für kardiale Fehlbildungen (Dao et al., 2024). Die zweite Kohortenstudie von Cesta et al. kam zu einem ähnlichen Schluss und fand kein erhöhtes kindliches Fehlbildungsrisiko, wenn die Mütter im ersten Trimester GLP-1-RA ausgesetzt waren (Cesta et al., 2024).

Trotz dieser scheinbar beruhigenden Ergebnisse warnen die Studienautoren eindringlich davor, diese Daten als Beleg für die Sicherheit von GLP-1-RA in der Schwangerschaft zu interpretieren, da die Aussagekraft dieser Studien durch eine Reihe erheblicher methodischer Limitationen wie beispielsweise kleiner Fallzahlen eingeschränkt wird (Dicheva-Radev et al., 2024).

Fazit

Zusammenfassend ist die aktuelle Evidenzlage zu den Auswirkungen von GLP-1-RA auf Schwangerschaft und Kind nicht ausreichend, um eine Sicherheit der Anwendung zu belegen (Dicheva-Radev et al., 2024). Daher besteht anhand der zunehmenden Anwendung dringender Bedarf an weiteren Forschungen. Somit gilt während der Schwangerschaft ein striktes Meiden bzw. sofortiges Absetzen und vor einer geplanten Konzeption die Medikation mit adäquatem Sicherheitsabstand von mindestens zwei Monaten (Bleich, 2024).

Quellen:
Bleich, T. (2024). Schwanger mit Semaglutid: Wie Abnehmspritzen Schwangerschaften fördern. www.zdfheute.de/ratgeber/gesundheit/abnehmspritze-schwangerschaft-semaglutid-wegovy-ozempic-baby-100.html zuletzt aufgerufen am 12.12.2025

Cesta, C. E., Rotem, R., Bateman, B. T., Chodick, G., Cohen, J. M., Furu, K. et al. (2024): Safety of GLP-1 Receptor Agonists and Other Second-Line Antidiabetics in Early Pregnancy. JAMA Intern Med 2024, 184(2):144–52. DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.6663

Dao, K., Shechtman, S., Weber-Schoendorfer, C., Diav-Citrin, O., Murad, R. H., Berlin, M. et al. (2024): Use of GLP1 receptor agonists in early pregnancy and reproductive safety: a multicentre, observational, prospective cohort study based on the databases of six Teratology Information Services. BMJ Open 2024, 14(4):e083550. DOI: 10.1136/bmjopen-2023-083550

Dicheva-Radev, S., Köberle, U., Dathe, K., Klinge, A. (2024): „Ozempic-Babys“? – was sagt die Datenlage. In: Arzneiverordnung in der Praxis 51(2), 133-142.

Winkler, L. (2024) Das Rätsel um die Ozempic-Babys. www.zeit.de/gesundheit/2024-05/ozempic-schwangerschaft-medikament-nebenwirkung/seite-2 zuletzt aufgerufen am 12.12.2025

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